Hartvillage, Fiji (mit Bildergalerie)

One of the great things about travel is that you find out how many good, kind people there are. — Edith Wharton

Unsere Zeit in Mango Bay war zu Ende gegangen und wir machten uns auf den Weg nach Navua, eine kleine Stadt, in dessen Naehe Bills Dorf lag und wo das Buero der Tourist-Adventure-Firma war, bei der Bill arbeitet. Wir hatten uns dort mit ihm um 17 Uhr an der Highway-Bruecke verabredet. Vorher musste er noch arbeiten. Bis 15 Uhr verbrachten wir  unsere Zeit also noch gemuetlich im Mango Bay-Restaurant. Danach liessen wir uns zur Hauptstrasse fahren und wollten uns dort an die Strasse stellen und ein Sammeltaxi Richtung Navua heranwinken. Nach etwa 15 Minuten winkten wir einen kleinen Minibus heran. Als wir allerdings nach dem Preis fragten, winkte der Fahrer nur ab und sagte, wir sollten uns darueber keine Gedanken machen. Wir waren skeptisch und wollten erstmal nicht so recht einsteigen ohne einen genauen Preis zu wissen. Ein juengerer Mann lud bereits unser Gepaeck ein. Erk machte klar, dass er 7 Dollar pro Person zahlen wuerde und dann stiegen wir ein.

Erst dann merkten wir, dass der Bus irgendwie gar nicht wie ein uebliches Sammeltaxi aussah und realisierten, dass es sich um einen privaten Bus handeln muss. Es stellte sich heraus, dass es eine Familie war, die gerade auf dem Weg von Nadi zurueck nach Suva war. Sie hatten dort auf dem Markt eingekauft. Sie waren sehr interessiert an unserer Reise, super freundlich und schenkten uns prompt zwei Mangos. Wir konnten so viel Freundlichkeit gar nicht fassen und hatten ein sehr schlechtes Gewissen, dass wir erst so skeptisch waren. Schnell machten wir eine von unseren selbstgedruckten Postkarten fertig (mit Bremer Sehenswuerdigkeiten und Foto von uns) und schrieben ein paar nette Worte drauf. Die super nette Mama neben Christin schrieb auch einen Zettel mit ihrer Adresse und Telefonnummer und meinte, dass wir uns melden sollen, wenn wir nochmal in Fidschi sind und wir dann bei ihnen in Suva wohnen koennen. Unglaublich, so viel Gastfreundschaft!!! Wir gaben ihnen daraufhin auch unsere Adresse. Schliesslich setzten sie uns in Navua ab und wollten auf keinen Fall Geld annehmen. Sie hatten uns wirklich einfach so mitgenommen. Wir bedankten uns vielmals  und wir alle winkten fleissig zum Abschied.

Da standen wir nun in Navua, direkt gegenueber von Bills Arbeitsstelle, allerdings eine Stunde zu frueh. Es war sehr heiss, also kauften wir erstmal was zu trinken. Ploetzlich entdeckte Erk Bill, der gerade die Strasse ueberquerte. Wir begruessten uns herzlich und nahmen ein Taxi zu Bills Village, das etwa 3 Kilometer ausserhalb lag. Eine Schotterstrasse entlang, ueber einige kleine Bruecken ging es Richtung Hartvillage.

Das Taxi fuhr uns direkt vor Bills Haus und viele Bewohner des Villages winkten uns zu. Wir waren ueberrascht, dass die Hauser alle gleich aussahen, nur unterschiedliche Farben hatten. Alles sah fuer ein fidschianisches Village sehr einheitlich und gepflegt aus. Spaeter erfuhren wir, dass das Village kein normales ist, sondern nur fuer Leute, die Kinder haben, die die nahegelegene Schule besuchen oder selbst in Navua arbeiten. Es handelte sich daher auch um Mietshaeuser (8 Euro pro Monat). Auf dem Satellitenbild von Google fehlen allerdings noch zwei gelbe Haeuser auf der rechten Seite.

Im Haus von Bill wurden wir herzlich von seiner Frau Meiva begruesst und es tummelten sich viele Kinder dort. Das Haus war einfach eingerichtet und bestand aus einem einzigen Raum. Alles war freundlich hell und es gab ein Doppelbett, eine Kommode, einen Fernseher und eine Kuechenzeile, allerdings ohne Herd und Ofen. Der Raum war komplett mit Matten aus Palmenblaettern ausgelegt, wo wir uns erstmal hinsetzten, uns allen Anwesenden vorstellten, uns unterhielten und aufgeregt unser Gastgeschenk (Sandspielzeug fuer Bills Sohn Isaac) ueberreichten.

Unser Geschenk kam zum Glueck gut an und Isaac nahm es gleich fuer sich ein. Die ganzen anderen Kinder aus der Nachbarschaft sassen schuechtern daneben, was uns ein bisschen ein schlechtes Gewissen machte, da wir ja nicht fuer alle was hatten. Wir waren ziemlich aufgeregt, weil wir auf keinen Fall etwas falsch machen wollten. Besonders Christin musste darauf achten, keinem der kleinen Kinder den Kopf zu streicheln, da dies auf den Fidschis eine Beleidigung ist.

Schliesslich machten wir uns mit Meiva auf den Weg zurueck nach Navua, um dort auf dem Markt einzukaufen. Wir gingen zu Fuss los und warteten einfach bis uns ein Taxi entgegenkam. Auf dem Markt waren wir immer im Zwiespalt, da Meiva alles bezahlte und wir nicht so recht wussten, ob nicht lieber wir bezahlen sollten. Wir kamen allerdings zu dem Schluss, dass sie es bestimmt nicht toll finden wuerde, wenn wir als Gaeste alles bezahlen wuerden. Wir fielen uebrigens ganz schoen auf als Touristen und ernteten von ueberall neugierige Blicke.

Zurueck im Village ruhten wir uns ein bisschen aus und tranken Tee mit Milch (very british). Etwas spaeter gingen wir mit Bill zum Kavastampfen, d.h. die getrocknete Kavawurzel wird in einem Eisenbehaelter mit einer sehr schweren Eisenstange zu Pulver gestampft. Dies war eine eindeutige Maennerarbeit, da Christin die Stange nicht mal anheben konnte. Erk half Bill, seinem Bruder Seva und zwei anderen Villagebewohnern bei dieser sehr schweisstreibenden Arbeit.

Das Kava brauchten wir fuer die bevorstehende Willkommenszeremonie, die vom Chief des Dorfes durchgefuehrt wurde. Nachdem wir uns etwas frisch gemacht hatten, bekamen wir beide einen Sulu (langer Wickelrock) geliehen, um adaequat fuer die Zeremonie gekleidet zu sein. Dann ging es mit Bill zum Gemeinschaftshaus. Meiva bereitete in der Zeit das Dinner zu. Im Gemeinschaftshaus wurden wir dann vom Chief, dem Dorfsprecher Ben und einigen anderen Bewohnern mit einer traditionellen Kavazeremonie willkommen geheissen.

Dies lauft wie folgt ab: Eine grosse Schale mit Wasser (Kavabowl) steht vor dem Zeremonieleitenden und wird erstmal gesegnet. Danach wird darauf ein duennes Tuch ausgebreitet und das Kavapulver wird daraufgeschuettet. Das Tuch wird zusammengefaltet und in der Kavabowl umhergeschwungen und ausgedrueckt, sodass das Wasser das Kava annimmt. Dann wird eine halbe Kokosnuss mit dem Kavagebraeu gefuellt und dem Chief ueberreicht. Bevor man eine Kavacup annimmt klatscht man in die Haende. Bevor man in einem Zug alles austrinkt, sagt man Bula. Und so geht es dann rundherum. Danach wird eine Pause gemacht und man unterhaelt sich. Anschliessend startet eine neue Runde usw. Nach zwei Cups spuert man, dass die Zunge etwas taub wird und nach fuenf wird man ziemlich muede.

Christin machte nach der vierten Schluss, Erk nach der sechsten. Alle waren sehr interessiert was unsere Reise angeht und wir unterhielten uns angeregt mit einer jungen Frau, die Medizin studierte und in unserem Alter war. Ziemlich muede gingen wir mit Meiva zurueck ins Haus, wo wir noch ein uns bisher unbekanntes aber leckeres Dinner serviert bekamen. Danach ging Meiva zurueck. Der kleine Isaac schlief schon und wir hatten Angst, ihn aufzuwecken. Meiva und Bill kamen erst um 2 Uhr Nachts nach Hause. Es war schon sehr ungewohnt, in einem fremden Bett zu schlafen und dass die Gastgeber direkt daneben auf dem Boden schlafen, aber wir schliefen gut.

Etwa um 9 Uhr standen wir auf. Es gab Brot mit Butter und Tee zum Fruehstueck und dann liefen wir mit Bill und einem Nachbarsjungen los zum Fluss. Dort nahmen wir ein Bad. Erk fragte Bill, woher er weiss, wie spaet es ist und Bill meinte ueberrascht: „Da ist doch die Sonne!?“. Damit war diese Frage geklaert.

Wieder im Dorf wurden wir erstmal eingekleidet, um in die Kirche zu gehen. Christin bekam einen bunten Blumen-Sulu + Oberteil verpasst und Erk auch einen braunen Sulu. Ausserdem bekamen wir jeder eine Bibel. In der Kirche war es sehr heiss und die Menschen sangen alle sehr laut und gut, sogar mehrstimmig. Ganz anders als in Deutschland. Wir versuchten, die fidschianischen Lieder so gut wie moeglich mitzusingen. Die vielen Kinder fanden das sehr lustig. Der Dorfchef hielt eine aeusserst temperamentvolle Predigt. Nach dem Gottesdienst wuenschten sich alle (inklusive wir) „god bless you“.

Nach der Kirche gab es ein Festesssen (alle brachten etwas zu essen mit). Der ganze Boden der „Veranda“ des Gemeinschaftshauses war mit verschiedenen Gerichten bedeckt und alle sassen im Schneidersitz  drumherum. Uns wurde uebrigens sehr oft gesagt „stretch your legs“, da wir nach 20 Minuten Schneidersitz wohl etwas gequaelt aussahen. Uns wurde extra eine junge Frau an unsere Seite gesetzt, die uns das Essen auffuellte und selbst erst ass als wir fertig waren. Etwas ungewohnt, aber die Fidschianer sind halt aeusserst gastfreundlich.

Wir probierten viele Dinge, die wir noch nie gegessen hatten. Alle assen mit den Haenden, uns wurden allerdings dezent Gabeln neben den Teller platziert. Noch vor dem Essen gab es eine Ueberraschung fuer Erk. Der durfte naemlich das Tischgebet sprechen :-). Zum Glueck hatte der ueberaus bedachte Erk damit gerechnet und hatte sich schon etwas ueberlegt. Nach dem Essen legten sich einfach alle hin und schliefen oder unterhielten sich. Mittagsschlaf wird am Sonntag sehr gross geschrieben, was besonders Christin freute.

Ausgeruht machten wir uns etwas spaeter mit vielen anderen Dorfbewohnern (in unserem Alter oder juenger) auf den Weg zu einem Wasserfall. Der Weg dorthin war fuer uns etwas beschwerlich, da man ueber rutschige Felsen und durch den Fluss mit seinem steinigen Bett laufen musste. Den  Dorfbewohnern machte dies alles nicht aus und sie waren um einiges schneller als wir. Der Wasserfall war super schoen und ideal zum Schwimmen. Alle tobten wild herum, sprangen von Felsen und spielten Fangen. Wir mussten ganz schoen aufpassen, da ueberall unter der Wasseroberflaeche grosse Felsen lagen und die Stroemung teilweise ziemlich krass war. Irgendwann trauten wir uns auch von einem Felsen aus einen Koepper ins Wasser zu machen. Es war aber unglaublich mit anzusehen, wie locker die Leute mit Risiken umgingen. Wir waren da um einiges aengstlicher. Beim Fangen spielen hatten wir deshalb keine Chance.

Wieder im Dorf zurueck machten wir uns frisch und dann ging es zu unserer Kava-Abschiedszeremonie. Nun mussten wir nicht nur Bula sagen, wenn wir die Kavacup bekamen sondern Bula moce (Auf Wiedersehen). Christin zeigte viele Fotos von Corinna und setzte sich dafuer in die Frauenrunde. Erk unterhielt sich mit den Maennern ueber Autos und Autobahnen. Die Maenner wollten gar nicht glauben, dass man so schnell fahren durfte wie man wollte. Zudem lud uns das Dorf ein, unsere Hochzeit bei ihnen zu feiern. Sie konnten nicht fassen, dass wir noch nicht verheiratet sind.

Christin ging frueher ins Bett und Erk wurde weiter mit Kava abgefuellt ;-). Inzwischen kaempfte Christin im Haus mit den Kakerlaken, die auf einmal aus vielen Ecken herauskrabbelten.

Am naechsten Morgen standen wir frueh auf, um den 7 Uhr-Bus nach Navua zu nehmen. Meiva und Bill standen mit uns auf und Bill begleitete uns nicht nur nach Navua, sondern setzte sich auch noch mit uns ins Taxi nach Pacicfic Harbour, wo unser Bus nach Nadi abfuhr. Auch dies machte er aus reiner Freundlichkeit. Er musst den ganzen Weg wieder zurueck fahren.

Es war eine unglaublich schoene, spannende und eindrucksvolle Zeit bei Bill, seiner Familie und den anderen Dorfbewohnern, die wir niemals vergessen werden. Von solch einer uneingeschraenkten Freundlichkeit koennen wir uns wirklich eine Scheibe abschneiden!

In case anybody from Hartvillage is reading this: Vinaka vakalevu for everything!

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5 Responses to Hartvillage, Fiji (mit Bildergalerie)

  1. Roland says:

    Ein schöner Mann kann alles tragen… 🙂

  2. Christoph says:

    Das sind genau die Erlebnisse, wofür man eine Weltreise macht. Ich bin hier gerade platt von euren Erlebnissen.

    Wünsche euch noch mehr davon!

    Grüße,
    Christoph

  3. Svenja says:

    Krass….jetzt bin ich neidisch, sowas erlebt man nich alle Tage! Besonders das letzte Foto mit Christin und den Mädels ist total süß!
    Wünsche euch noch ganz viele solche Erlebnisse!
    Und Erk soll den Rock mitbringen! 🙂

  4. Marco says:

    Wie habt ihr Bill kennengelernt … oder habe ich was überlesen?

    • Erk says:

      Wir hatten einige Tage vorher eine Wandertour gemacht, auf der er unser Guide war. Gott sei Dank hatte kein anderer diese Tour gebucht, sodass wir den ganzen Tag eigentlich allein mit ihm durch den Dschungel gewandert sind.

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